In diesem Artikel des Autors Hermann Niessler (Geschäftsführer ASSA ABLOY Entrance Systems Austria GmbH) wird das sensible Thema Glaskennzeichnung erläutert und versucht, Betreibern Orientierung und Ratschläge zu geben. Da der Handel volumentechnisch der größte Betreiber von Automatiktüren ist, wird speziell auf die Anforderungen im Handel eingegangen. Aber auch Hotels, Restaurants und andere private Einrichtungen unterliegen denselben Gesetzen.
1995 beginnt unsere Geschichte, indem sich die Europäische Union zu Menschenrechte behinderter Menschen einheitlich entschließt. 1997 wird in die österreichische Bundesverfassung der Passus :„Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“ aufgenommen. 2001 setzt die Architektur ein Zeichen und die EU beschließt daraus „Universal Design for all“. 2007 unterzeichnet Österreich die UN-Konvention und im Jahr 2013 tritt daraufhin die ÖNORM B 1600 in Österreich in Kraft, welche sukzessive ab 2013 in die Landesgesetze durch Inkrafttreten der OIB implementiert und durch einen Verweis in der OIB wirksam wird.
Die OIB-Richtlinie 4 aus dem Jahr 2011 bezieht sich nicht auf die Glasmarkierung der B 1600. Die OIB-Richtlinie 4 aus dem Jahr 2015 bezieht sich definitiv auf die Glasmarkierung der B 1600. Durch Bauverordnungen der Bundesländer wurde die OIB-Richtlinie 4 und damit die Glasmarkierung zum Baurecht ernannt.
Die ÖNORM B 1600 legt Standards für die barrierefreie Gestaltung der gebauten Umwelt fest und gibt Planungshinweise für die Umsetzung. Es liegt im Verantwortungsbereich des Anwenders (z.B Bauherr oder Auftraggeber) bzw. des Gesetzgebers festzulegen, wann und in welchem Umfang diese ÖNORM anzuwenden ist.
Inhaltlich regelt die B 1600 folgende Gewerke (darunter auch die Glas- und Türmarkierungen)
Wer gemäß B 1600 baut, muss alle acht Gewerke barrierefrei gestalten.
In allgemein zugänglichen Bereichen sind transparente Flächen, bei denen Aufprallunfälle zu erwarten sind, kontrastierend zu kennzeichnen. Dabei sind die unterschiedlichen Licht- bzw. Beleuchtungsverhältnisse (zB. Tag und Nacht, beidseitige Betrachtung) zu berücksichtigen.
Eine Kennzeichnung ist nicht erforderlich bei:
Es wird davon ausgegangen, dass ein ausreichender Schutz von Aufprallunfällen gegeben ist, wenn Glastüren über eine Rahmenbreite von mindestens 10cm bzw. beidseitig zugängliche Glasflächen über einen kontrastierenden Sockelbereich von mindestens 30cm Höhe verfügen. Ist eine Kennzeichnung erforderlich, so ist diese entsprechend dem Stand der Technik mit einem hellen und einem dunklen, möglichst gleich großen Flächenanteil auszuführen, wobei ein Kontrast zwischen diesen Flächen von mindestens 50% zu gewährleisten ist (Differenz des Lichtreflexionsgrades LRV der beiden Oberflächen).
Die ÖNORM fordert eine Markierung in zwei Farben mit der LRV-Differenz von mindestens 50. Dieser Kontrast muss in natura gegeben sein – nicht nur auf dem Papier.
Dafür empfiehlt der BSVÖ (Blinden – und Sehbehindertenverband Österreich) ein Muster zu wählen, bei dem die zwei Farben gleichmäßig auf den gesamten markierten Bereich verteilt sind.
Begründung: Ziel der zweifarbigen Ausführung ist es, dass die Markierung unter verschiedenen Umgebungsbedingungen, Beleuchtungsverhältnissen etc. verlässlich gesehen wird. Ist eine Farbe unter bestimmten Bedingungen nicht (gut) sichtbar, muss die Markierung mit der jeweils anderen Farbe die Kennzeichnungsfunktion alleine erfüllen.
Anmerkung des BSVÖ (Blinden- und Sehbehindertenverband Österreich) zu der Sockelmarkierung von mindestens 30 cm als zulässige Alternative zu der oben gezeigten Glasmarkierung:
„Sockelmarkierung ist zu wenig: ÖNORM und OIB-Richtlinie fordern keine Kennzeichnung von Glasflächen, wenn ein Sockel von mindestens 30 cm Höhe vorhanden ist. Das verleitet zu der Interpretation, dass eine Markierung im Sockelbereich ausreichen würde. Von einer solchen Lösung raten wir dringend ab. Begründung: Um die Glasfläche als Hindernis zu erkennen, braucht es die Markierung in Augenhöhe. Markierungen im Sockelbereich vermitteln sogar eher den Eindruck, der Bereich darüber wäre frei, und erhöhen dadurch im Zweifelsfall die Unfallgefahr“.
Die ÖNORM B 1600 ist weder via OIB-Richtlinie 4 noch über eine gesetzliche Regelung verbindlich erklärt. Eine ÖNORM hat per se einen empfehlenden Charakter, kann aber jederzeit via privatrechtliche Vereinbarung Vertragsbestandteil werden. Dies beantwortet möglicherweise, warum die Glaskennzeichnung noch nicht überall angebracht werden.
Waren und Dienstleistungen müssen in Österreich barrierefrei angeboten werden. Für große Aktiengesellschaften gibt es sogar einen Beseitigungsanspruch, das heißt, wenn eine Barriere festgestellt werden kann, dann ist diese jedenfalls zu beseitigen. Siehe Bundesbehindertengleichstellungsgesetz. Demnach ist der Handel bestens beraten die ÖNORM B 1600 einzuhalten, da sie den Stand der Technik im barrierefreiem Bauen in Österreich darstellt.
Da die ÖNORM, wie bereits erwähnt, nur einen empfehlenden Charakter hat, kann jederzeit gleichwertig davon abgewichen werden. Da eine Diskriminierung vor allem subjektiv festgestellt wird, besteht mit der Einhaltung der ÖNORM B 1600 auch keine Rechtssicherheit. Die subjektive Feststellung erklärt einiges: zu viele taktile Leitlinien wären meist verwirrend, das Gespräch an der Kassa kann meist unkompliziert nonverbal stattfinden, die Frischfleisch-Theke meidet man, weil es gute einfache Alternativen gibt, usw.
Da die ÖNORM, wie bereits erwähnt, nur einen empfehlenden Charakter hat, kann jederzeit gleichwertig davon abgewichen werden. Da eine Diskriminierung vor allem subjektiv festgestellt wird, besteht mit der Einhaltung der ÖNORM B 1600 auch keine Rechtssicherheit. Die subjektive Feststellung erklärt einiges: zu viele taktile Leitlinien wären meist verwirrend, das Gespräch an der Kassa kann meist unkompliziert nonverbal stattfinden, die Frischfleisch-Theke meidet man, weil es gute einfache Alternativen gibt, usw.
„Wird gegen die in diesem Bundesgesetz geregelten gesetzlichen Gebote oder Verbote gestoßen, und werden dadurch die allgemeinen Interessen des durch dieses Gesetz geschützten Personenkreises wesentlich und dauerhaft beeinträchtigt, können der Österreichische Behindertenrat, der Klagsverband zur Durchsetzung der Recht von Diskriminierungsopfern (§62 GIBG) und der Behindertenanwalt (§13b BBG) eine Klage auf Feststellung sowie bei großen Kapitalgesellschaften im Sinne des § 221 Abs. 3 Unternehmensgesetzbuch (UGB) auch auf Unterlassung und Beseitigung einer Diskriminierung aus dem Grund einer Behinderung einbringen“
Ein tolles Beispiel liefert die ÖBB (Österreichische Bundesbahn). Gläser sind ordentlich gekennzeichnet, Böden sind mit taktilen Leitlinien versehen und auch architektonisch schöne Gläser sind mit kontrastierenden Sockel von mindestens 30-cm-Höhe ausgestattet.
Dies gilt übrigens im Handel nicht nur auf die Automatiktüren, sondern auf alle bestehenden transparenten Gläser, z.B. Windfang.
Ein weiterer Grund, warum Türhersteller nur optional die Glaskennzeichnung mitliefern ist, dass die vorgeschlagenen kostenfreien Glasbeklebungen der Türhersteller oft nicht der Verkehrssitte oder dem CI der Betreibern entspricht.
Diese und weitere berechtigte Fragen beantworten wir Ihnen gerne persönlich oder unser Team Servicevereinbarungen unter servicevereinbarung.at.entrance@assaabloy.com
Hermann Niessler, 7.4.2023
Türhersteller verweisen explizit in deren Vertragsbedingungen auf die bauseitige Leistung, dass Glaskennzeichnungen nach OIB oder B1600 durch den Betreiber erfolgen muss. Ausgeliefert werden die Automatiktüren mit Pfeilen, die dezent wirken und aufgrund der Reflexion einen guten Schutz gegen das Anstoßen bieten. Aufgrund der „Handy-Gesellschaft“ empfehlen alle Türhersteller jedoch alle Gläser entsprechend der B1600 zu beschriften.
Dies gilt übrigens im Handel nicht nur auf die Automatiktüren, sondern auf alle bestehenden transparenten Gläser, z.B. Windfang.
Ein weiterer Grund, warum Türhersteller nur optional die Glaskennzeichnung mitliefern ist, dass die vorgeschlagenen kostenfreien Glasbeklebungen der Türhersteller oft nicht der Verkehrssitte oder dem CI der Betreibern entspricht. Türhersteller senden vorab immer eine Freizeichnung der Automatiktür-Systemen, deren Glasausführungen und Maße durch Betreiber oder befugte ArchitektInnen schriftlich bestätigt werden.
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